Kunst oder nicht Kunst, das ist eine Frage, die in der Auftragskommunikation immer wieder diskutiert wird. Die Diskussion ist insofern sinnvoll, weil sie auf interessante Weise den Anspruch und das Qualitätsstreben der Gestaltung von Werbebotschaften veranschaulicht.
Kunst war früher immer Auftragsarbeit. Die Kirche, begüterte Personen, Adlige oder Staatsmänner gaben bei Künstlern Werke mit dem klaren Ziel in Auftrag, der Maler oder Bildhauer möge ihren Status und Einfluss auf die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik verdeutlichen. Diese Aufgabe übernimmt heute die Werbung. Einer der Ersten, die Werbung zu Kunst erklärten, war Michael Schirner. Ein Beispiel seiner Arbeit ist der ebenso geniale wie einfache Werbefilm für IBM-Schreibmaschinen.
Eine Schreibmaschine schreibt auf weißem Hintergrund nacheinander, ein S, ein c, ein h, ein r, ein e, ein i, ein b, ein m, ein a, ein s, ein c, ein h, ein i, ein n, ein e und zuletzt ein n: Schreibmaschinen. Danach werden die drei mittleren Buchstaben, zuerst das m, dann das b, und das i, gelöscht und durch die Großbuchstaben IBM ersetzt. Es ensteht das Wort SchreIBMaschinen.
Die Kunst der Werbung?
Im Vergleich zur heutigen freien Kunst ist die Werbung unfrei. Sie orientiert sich am Auftraggeber und erfüllt dessen Ziel und Zweck. Wenn aber Werbeideen mit den ihr zugedachten Zielsetzungen eine vollkommene Einheit bilden und darüber hinaus gesellschaftliche, kulturelle und ästhetische Relevanz erlangen, dann eröffnen sie eine neue übergeordnete Dimension und Qualität – sie werden zur Kunst. Dabei wird deutlich, dass die Werbung heute die Funktion übernimmt, die früher die Kunst hatte, nämlich wie Schriner definiert: “die Vermittlung ästhetischer Inhalte ins alltägliche Leben”. Diese Funktion hätte die Moderne Kunst dann aber nicht mehr. Die massenkuluturellen Ausdrucksformen wie Werbung, Pop-Musik oder Mode wären dann an die Stelle der früheren Kunst getreten. Aber kann eine Werbung, in der eine Katze lieber aus ihrem Napf frisst als die Maus zu fangen, die vor ihrer Nase herumläuft, wirklich Kunst sein? Nein!
Das ist Werbung!
Die Macher in der Werbung suchen eine geniale Idee mit massenkommunikativer Wirkung – sozusagen exklusiv für die Masse. Werbefilm, Werbetext und Grafikdesign sind Auftragskommunikation. Die Auftraggeber sind Unternehmen, Behörden, politische Verbände, soziale Einrichtungen oder Privatpersonen. Sie finanzieren die Konzeption, die Produktion und die Verbreitung der Filme und verfolgen konkrete Kommunikationsziele. Wie zum Beispiel die Steigerung der Bekanntheit und Aufmerksamkeit, die Verbreitung von Informationen und die Bestätigung oder Veränderung eines Images. Ihr Gegenstand sind Produkte, Dienstleistungen, Investitionsgüter oder Botschaften aus dem gesellschaftlichen, sozialen und politischen Umfeld. Kommunikation ist nur ein Teil des Marketingmixes. Ist der Preis zu hoch oder zu tief, sind die Vertriebskanäle nicht erfolgreich oder das Produkt/Dienstleistung nicht gut genug, kann man die Werbung nicht für Misserfolge verantworlich machen.
Ist die Kunst freier als Werbung?
Es gibt Qualitätsunterschiede in der Kunst als auch in der Werbung. Das muss nicht heißen, dass ein nicht erfolgreicher Künstler schlecht ist. Einzig und allein der Markt macht ihn zu dem, was er ist: Erfolgreich oder nicht erfolgreich. Die Werbung ist für den Markt, der die Konsumgesellschaft bedient, ein essentielles Werkzeug um Konsumenten und Zielgruppen zu ereichen. Wenn der Spot mit der Katze den Verkauf beflügelt, ist es egal wie künstlerisch wertvoll er ist. Er hat sein Ziel schon erreicht. Dies gibt es in der Kunst nicht. In der Kunst geht es nicht hauptsächlich darum, zu verkaufen, sondern darum etwas zu schaffen, was besonders und außergewöhnlich ist.
Es ist in der Werbung wie im richtigen Leben: Erfolg hat viele Väter, Misserfolg nur einen. Verkauft sich das Produkt nicht, dann ist meist die Werbung schuld. Verkauft es sich hervorragend, dann waren es der Außendienst, die Distribution, die Entwicklungsabteilung, das Händlernetz, und vielleicht ein bisschen auch die Werbung.
Klarer Nutzen der Werbung im Gegensatz zur Kunst.
Die Faszination des Grafikdesigns, der Werbetexte, Werbefilme und Werbespots liegt in ihrer grundsätzlichen Aufgabe – der Beeinflussung der Massen. Die Filme sind darauf ausgelegt ein großes Zielpublikum zu erreichen. Dabei geht es nicht um Manipulation. Denn Manipulation ist der gezielte Einfluss auf Menschen ohne deren Wissen und gegen deren Willen. Das will und kann Werbung nicht sein, denn wer kein grundsätzliches Interesse an der Ware und Dienstleistung hat, wird sich auch von Werbung nicht zum Kauf überreden lassen. Das Maximale, was ein Auftraggeber z.B. in der Phase einer Produktneueinführung von seiner Werbung erwarten darf, ist, dass die Werbung das Probierverhalten der Verbraucher stimuliert. Neues probiert man gerne aus, doch wenn das Produkt nicht hält, was versprochen wurde, dann war der erste Probekauf gleichzeitig der letzte. In der heutigen Werbung geht es um den Aufbau von fairen und respektvollen Beziehungen zum Verbraucher.
Faszination Werbung.
Ohne Zweifel birgt der Versuch Menschen zu beeinflussen, eine gewisse Faszination, aber die Grenzen sind deutlich und klar abgesteckt. Der Mythos und die scheinbare Macht der Macher über Meinungen und Verhaltensänderungen wird häufig überschätzt.
Dennoch bietet der Werbefilm für die Gestalter neben der konzeptionellen Tätigkeit eine weitere große Chance: Sie können ihre Ideen mit nicht gerade unerheblichen Produktionsbudgets verwirklichen. Die Durchsetzung von Ideen ist Teil ihrer beruflichen Selbstverwirklichung. Welcher Spielfilmautor, Filmemacher oder Künstler kann von sich behaupten, Hunderttausende von Euro für 30 Sekunden Film ausgeben zu können? Für die Macher ist das eine große Herausforderung – und eine noch größere Verantwortung.
Film nicht gleich Film.
Beim Spielfilm zeigt sich der finanzielle Erfolg eines Films an der Kinokasse, beim Werbefilm und dem viralen Film im Internet am Umsatz oder den Clicks auf der Homepage und im Marktforschungsinstitut. Während man beim Spielfilm immer noch von einem guten Film sprechen darf, wenn nur wenige Kinogänger das Eintrittsgeld bezahlt haben, so ist die Situation beim Werbespot und -film eine andere. Seine Ziele und sein Zweck sind entweder marktwirtschaftlich oder konkret meinungsbildend ausgerichtet.
Gegensatz von Kunst und Werbung.
Dem künstlerischen Anspruch stehen klare Kommunikations- und Verkaufsziele gegenüber. Wen interessiert Kunst? Wir wollen verkaufen und Meinung verändern! Dies einzufordern ist das gute Recht der Auftraggeber von Werbung. Obwohl Kunst und Kommerz unvereinbar scheinen, beweisen viele Beispiele, dass gute Gestaltung wirkt und zum Erfolg einer Marke beiträgt. Für die Gestalter und die Unternehmen ist das Ringen um die bessere Idee und den größeren wirtschaftlichen Erfolg immer eine Suche nach der größtmöglichen Balance und Übereinstimmung von Kunst und Kommerz.
Die Parallelen zwischen Kunst und Werbung sind nicht von der Hand zu weisen, trotzdem könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Bilder sind Schüsse ins Gehirn, die immer an gleicher Stelle im Gehirn verarbeitet werden. Werbung hat eine grundlegende Forderung, es müssen u.a. Informationen vermittelt werden. Dies bedeutet z.B. ein beworbener Gegenstand sollte im Idealfall seine Funktion selber erklären oder der Sinn eines Werbespots muss spätestens in der Schlusssequenz verstanden werden. Das bedeutet, Werbung ist infromativ. Kunst dagegen, muss zunächst nur dem Künstler selbst Dinge und Gefühle erklären. Um Kunst spannend zu machen braucht der Betrachter den Sinn, das Gefühl, das Mysterium nicht sofort nachzuvollziehen. Kunst sind Geschichten, die ein Mensch in einer selbsterfundenen Sprache erzählt. All dies fehlt in der Werbung, wo Werbetexter, Desinger, und Art Direktoren auf der Suche nach der perfekten Vermarktungsstrategie für ihr zu bewerbendes Produkt suchen.
Werbung ist keine Kunst, aber es ist eine Kunst gute Werbung zu gestalten.